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Ein fränkisches Fürstengrab aus Krefeld-GeIIep
Nachdruck aus: Germania 42, 1964, 188—216.
Seite 6
von Renate Pirling
37. Kännchen (Abb. 60 und 61).
ahe dem Fußende lag auf der linken Seite, außerhalb der Bohlenspur (siehe auch Abb. 32), ein getriebenes Bronzekännchen von schlanker Form mit gegossenem Henkel. Es ist 22 cm hoch, hat einen Mündungsdurchmesser von 4,6 cm und einen Bodendurchmesser von 6,2 cm. Auf Hals und Bauch war je ein 1 bzw. 1,5 cm breites Bronzeband aufgelötet. Der hohe, geschweifte Fuß wurde gesondert getrieben und angelötet.
Der Henkel weist am oberen Ansatz an beiden Seiten je einen waagerechten, gewinkelten Arm mit Endknopf auf und im oberen Drittel eine dornartige Erhöhung als Daumenauflage.
Der untere Henkelansatz ist blattförmig gebildet. Auf dem den Bauch umziehenden Bronzestreifen ist eine Inschrift eingeritzt (Abb. 61).
Nach Prof. Dr. B. Bischoff, München, ist sie so zu ergänzen und zu lesen:
(A)R(BO) R ERAT ELEX VNDIQVE PRE.. (Elex = llex, Steineiche).
Ein Sinn ergibt sich daraus leider nicht.

Holzgefäß
8. Holzeimer mit eisernen Reifen und bronzenen Beschlägen
m Fußende, unmittelbar neben dem Bratspieß (Nr. 19) stand ein hölzerner Eimer, dessen Dauben durch eiserne Reifen zusammengehalten wurden. Der breite, bandförmige Henkel mit zwei reich verzierten Attaschen und die mit menschlichen Masken verzierten dreieckigen Beschläge sind aus Bronze (Abb. 62).
Der Eimer war außerordentlich schlecht erhalten und konnte noch nicht restauriert werden. Er gehört zu einer aus anderen Gräbern von weit verstreuten Fundorten bekannten Gruppe von Eimern (13), denen die Form des Henkels, seine Verzierung mit Kreisaugen, die durchbrochen gearbeiteten Attaschen und die Beschläge in Form von Dreiecken, die mit einer Spitze nach unten weisen, aus dünnem Bronzeblech mit eingepressten Masken, gemeinsam sind.

Unbestimmbare Gegenstände
39. Bronzegegenstand (Abb. 52,3).
in rechteckiger, zweimal durchbrochener Gegenstand aus Bronze von 2,3 cm Länge, mit zwei ausbiegenden Armen lag neben der Nähnadel Nr. 25 und dem Silberschnällchen Nr. 30 auf dem Schaft des Ango (Nr. 11).
40. Goldzwinge
eben einem der beiden Messer Nr. 18 fand sich eine 1,0 cm lange Goldzwinge, deren Zugehörigkeit und Zweck fraglich sind.
41. Eisengegenstand
eben dem Bronzekännchen Nr. 37 lag ein in zwei Teile gebrochener Eisengegenstand, der vorläufig nicht zu bestimmen ist.
42. Eisengegenstand
in längliches Eisenstück fand sich in der Nähe des Holzeimers Nr. 38. Es ist bisher nicht zu bestimmen.

Die Zeitstellung des Grabes und seine kulturgeschichtlichen Zusammenhänge
ie Goldmünze mit dem Bildnis des Anastasius I. legt für die Anlage des Grabes das Jahr 491 als terminus post quem fest.
Die beiden D-förmigen Almandin besetzten Goldbeschläge (Nr. 3) haben Gegenstücke in den zum sogenannten »Harnisch des Theoderich« gehörenden Beschlagen aus Ravenna (14), die in Form und Größe ungefähr mit den beiden Gelleper Stücken übereinstimmen, freilich weit prachtvoller verziert sind. Ihre Zuweisung zum Grabe Theoderichs des Großen ist höchst fraglich. Nils Äberg datiert sie in die Zeit um 500 (15), während Herta Rupp auf Grund der tatsächlich augenfälligen Übereinstimmung einiger Zierdetails mit solchen auf den Scheidenbeschlägen des Childerichschwertes annimmt, beide Arbeiten, der »Harnisch des Theoderich« und die fraglichen Teile des Childerichschatzes, stammten aus ein- und der selben Werkstatt
(16). Jedenfalls dürften sie kaum viel später als in der Zeit um 500 hergestellt worden sein.
Ohne ein direktes Gegenstück ist bisher das Pferdegeschirr des Gelleper Grabes. Lediglich die Knebeltrensen könnten mit denen aus Großörner in Thüringen verglichen werden (17). die, mit gerieftem Goldblech bezogen, an den Enden an Stelle des Goldfiligrans mit Almandinen besetzt sind. Sie werden von Berthold Schmidt in dessen Gruppe II, d.h. in die Zeit ungefähr zwischen 450 und 525 datiert. Joachim Werner machte auf den engen Zusammenhang der Trensen von Großörner und jenen von Pécs Üszög in Ungarn aufmerksam (18) und sieht in dem Auftreten der kostbaren Trensen in dem thüringischen Fürstengrab ein reiternomadisches Element. Für unsere Gelleper Stücke dürfte das selbe gelten und dieser Eindruck verstärkt sich noch, wenn wir die mit Gold- blechbezogenen, filigranverzierten und almandinbesetzten Riemenbeschläge und Riemenverteiler des Gelleper Zaumzeugs miteinbeziehen.
Joachim Werner hat darauf hingewiesen, dass die Sitte, Zaumzeug reich mit Gold und
Edelsteinen zu schmücken, wohl auf bosporanische oder persische Vorbilder zurückgeht und auch von den Hunnen geübt wurde, wie Priscos vom Hofe Attilas berichtet, wo er derartige Pferdegeschirre gesehen hatte (19). Meist handelte es sich, wie zahlreiche Grabfunde zeigen, um Goldblechbesatz auf einer dünnen Bronzeunterlage, oft mit Almandinen verziert, wobei die Fragilität auffällt, die einen häufigen praktischen Gebrauch unmöglich erscheinen lässt. Dies gilt auch für die Gelleper Stücke, die in der Tat kaum Abnutzungsspuren aufweisen. Bei den östlichen Vorkommen rechnet Werner mit einer Herstellung dieses »Goldflitters« eigens für den Totengebrauch. Bei den doch etwas massiveren Gelleper Stücken könnte man an einen gelegentlichen Gebrauch bei besonderen Anlässen denken.
Wenn auch der Goldblechbesatz der Zaumzeuge aus den östlichen Gräbern der Attilazeit in den Details mit dem von Gellep nicht übereinstimmt (20), so ist doch wohl nicht daran zu zweifeln, dass zwischen jener reiternomadischen Eigenheit und dem in germanischem Milieu bisher einmaligen Vorkommen goldblechbesetzten Pferdegeschirrs ein Zusammenhang besteht.

Als vergleichbare Stücke zu den beiden Riemenverteilern kommen allenfalls die Scheibenfibeln aus dem Frauengrab unter dem Kölner Dom in Frage (21). Diese sind freilich aus purem Gold gefertigt, sind rosettenförmig und haben einen cloisonnierten Rand. Ganz ähnlich gebildet ist aber der Mittelbuckel mit je vier sich nach unten verbreiternden Kreuzarmen, die abwechselnd mit Ringfiligran und gewölbt geschliffenen Almandinplättchen bedeckt sind. Bei den Kölner Fibeln ist es ein einzelner Almandin, während bei den Gelleper Riemenverteilern je drei Almandinzellen kreuzförmig angebracht sind. Den Kölner und den Gelleper Stücken gemeinsam ist die Kombination von Zellenverglasung und Filigran. Beide Techniken waren zwar der austrasischen wie der ostgotischen Goldschmiedekunst längst bekannt, wurden aber kombiniert nicht angewendet. Nach allgemein herrschender Meinung, jedenfalls der deutschen Forschung, wird die Verwendung engen Zellenwerks und reichen
Filigrans byzantinischem Einfluß zugeschrieben, der dann durch Vermittlung der Langobarden in Italien auch auf das Kunsthandwerk der germanischen Stämme nordwärts der Alpen eingewirkt haben soll (22). Da die Langobarden erst 568 nach Italien gelangten und dort erst noch ein Jahrzehnt ohne König und staatliche Ordnung lebten, waren sie vor den ersten Jahrzehnten des 7. Jahrhunderts gewiss nicht fähig, byzantinische Einflüsse in ihrem Kunsthandwerk zu rezipieren und an die Goldschmiede im austrasischen Reiche weiterzugeben. Otto Doppelfeld hat schon bei der Behandlung der Scheibenfibeln vom Kölner Dom aufgezeigt, dass wesentliche Elemente des
merowingischen Kunstgewerbes, die bisher auf die Langobarden zurückgeführt wurden, im austrasischen Raume vorhanden waren, lange bevor die Langobarden als Mittler auftreten konnten (23).
Das Frauengrab unter dem Kölner Dom
muss nach Aussage der Münzen nach 526, kann aber kaum nach der Mitte des 6. Jahrhunderts angelegt worden sein. Es zeigt sich bei seinem Inventar wie bei dem des Herrn von Gellep, dass fränkische Goldschmiede mediterrane Anregungen empfangen hatten und Cloisonné und Filigranarbeiten von hoher Qualität zu einer Zeit herstellten, in der die Langobarden noch in Pannonien saßen. Mit direktem byzantinischem
Einfluss oder mit ostgotischer Vermittlung muß also in weit stärkerem Maße als bisher gerechnet werden.

Die Spatha gehört zur Gruppe der sogenannten «Ringknaufschwerter«, die außer im Frankenreich, in Südengland und Skandinavien sowie im langobardischen Italien verbreitet waren. Über den Sinn der am Knauf an gebrachten Ringe hat Kurt Böhner bei der Behandlung des Schwertes von Orsoy, Kreis Moers, am Niederrhein (24), ausführliche Überlegungen angestellt und sich mit sehr einleuchtender Begründung dafür ausgesprochen, dass die Ringe um ihrer selbst willen angebracht wurden, und das sie magische Bedeutung hatten. Sie sollten wohl eine Einung in einer Art «Schwertbruderschaft« bewirken und darstellen. Dass die kontinentalen Ringknaufschwerter sämtlich skandinavischer Herkunft seien, wie Böhner vermutet, ist dagegen wenig wahrscheinlich. Von den bis jetzt bekannten, dürften die
Ringknaufschwerter von
Gellep, Mainz-Kastel (25) und Chaouilley (26) die ältesten sein. An der Geschlossenheit des Grabinventars von Mainz-Kastel zu zweifeln (27) besteht wohl kein
Anlass. Auch darf der zu dem Fund gehörende gläserne Sturzbecher nicht als Beweis dafür gewertet wer den, dass das Grab erst in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts angelegt wurde. Sturzbecher mit ausbiegendem Rand kommen gelegentlich durchaus schon am Ende der Stufe II nach Böhner, d.h. in den ersten Jahrzehnten des 6. Jahrhunderts vor, wie die Untersuchungen am Material des Trierer Raumes (28) wie an dem von Gellep (29) ergeben haben. Auf die ungefähre Gleichzeitigkeit von Chaouilley Grab 20 und dem Fürstengrab von Planig (30) in Rheinhessen haben Holger Arbman (31) und Joachim Werner
(32) hingewiesen. Die dicht gestellten 5-Spiralen aus Filigran auf dem Schwertscheidenbeschlag von Chaouilley fordern den Vergleich mit der Filigranverzierung auf den beiden Messergriffen von
Gellep heraus, während die Parallelen zwischen Planig und Gellep, wie weiter oben noch zu zeigen sein wird, so vielfältig sind, dass an der ungefähren Gleichzeitigkeit der beiden Gräber nicht zu zweifeln ist. In
Skandinavien und England scheinen Ringknaufschwerter erst in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts vorzukommen (33).

Der Sitte der am Knauf angebrachten Ringe liegt wohl eine magische Vorstellung zugrunde, die allen germanischen Stämmen jener Zeit geläufig war. Nur so ist es zu erklären, dass Ringknaufschwerter von Italien bis Skandinavien vorkommen. Ihr seltenes Auftreten, in reich ausgestatteten Gräbern, macht es wahrscheinlich, dass nur hervorragende Krieger und Gefolgsleute sie besaßen (34).
Die auf der Klinge der Spatha, nahe dem Griff liegende Meerschaumperle mit cloisonniertem Goldknopf ist eine jener Schwertanhänger, die sich, aus den verschiedensten Materialien bestehend, in vielen reich ausgestatteten Kriegergräbern bei Franken, Alamannen und Thüringern fand. |
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