Archäologie in Krefeld
Fundort: Ein Brandgräberfeld in Tönisvorst- Vorst
Thema:
Romanisierung von Germanen.
as
der Verfasser von Archäologie in Krefeld
1984
in Tönisvorst-Vorst entdeckte und dem Museum Burg Linn und
der Außenstelle Xanten meldete, ist heute eine kleine
archäologische Sensation und im Bonner Landesmuseum in der
Ausstellung "Krieg und Frieden" zu besichtigen.
In den Jahren 58-52 v. Chr.
eroberten römische Truppen unter Caius Julius Caesar
Gallien.
Dies ist allgemein
bekannt. Das antike Gallien entsprach ungefähr dem
heutigen
Frankreich, reichte aber im Osten bis an den Rhein.
55 v. Chr.
standen erstmals römische Truppen auch im Rheinland. Hier trafen
"Kelten", "Römer" und "Germanen" unmittelbar
aufeinander; alles, was sich in den folgenden Jahrzehnten bis in die
zweite Hälfte des 1. Jahrhunderts n.
Chr.
ereignete, reichte vom offenen Krieg bis zum friedlichen Zusammenleben.
Zwischen
1984 und 1986
wurden in Tönisvorst-Vorst, Kreis Viersen, knapp westlich
der
niederrheinischen Wasserscheide zwischen Rhein und
Maas, Teile eines ausgedehnten Brandgräberfeldes aufgedeckt. Seither
konnten 213 der etwa 500 Gräber ausgegraben werden. Damit
handelt es sich um das bislang größte römerzeitliche Gräberfeld
außerhalb der militärischen und zentralen Orte am Niederrhein.
Im Vergleich mit Grabungsfunden aus
Xanten, Asberg, Neuss und Köln fehlen typisch
römische
Erzeugnisse, wie z. B. Lampen, Münzen, Spiel- und Schreibzeug., Spiegel
oder Perlen nahezu vollständig.
Auch finden sich weder Öltrichter noch
Amphoren, die auf römische
Speisesitten hinweisen würden. Dagegen ist die früheste Phase des
Gräberfeldes, das in
spättiberischer Zeit (um 30/35 n. Chr.)
einsetzt, durch Urnengräber mit stark germanisch geprägten
Grabinventaren gekennzeichnet. Die Metallobjekte, wie Gewandnadeln
(Fibeln), Bronzegeschirr, Trinkhornbeschläge, eiserne Waffen und Geräte
lassen vermuten, dass es sich bei der ersten Generation
höchstwahrscheinlich um Siedler aus dem
elbgermanischen
Raum handelte. Umso bemerkenswerter ist, dass die zugehörige Keramik
ausschließlich römischen
Ursprungs und sich stark an Gefäßtypen
nordgallischer
Fundorte anlehnt.
In den späteren Phasen des Gräberfeldes
wurden die germanischen
Objekte von gallorömischen
Produkten überlagert , bis ab
circa 180 n. Chr. - nach einem
starken Anwachsen der Bevölkerung im
2. Jahrhundert
- nur noch sporadisch innerhalb des Friedhofareals bestattet wurde.
Nach den historischen Quellen waren es
möglicherweise Angehörige des Volkes der
Baetasier,
vielleicht auch der Ubier,
die hier ihre Verstorbenen bestatteten.
Grab 18
oben, Grab 38 unten |
Grab
73 oben, Grab 111 unten |
Grab
102 oben, Grab 166 unten |
Grab 18
Romanisierende Germanen
Tönisvorst, Kreis Viersen
30/35-60 n. Chr.
Zur frühesten Belegungsphase von Tönisvorst gehört
die Bestattung einer 30-40jährigen Frau, deren reichhaltiges
Grabinventar Formengut elbgermanischer Prägung
aufweist. Einzig als Urne diente
eine Terra-Niegra-Schüssel
belgischer Ware. Neben drei Bronzefibeln sind eine silberne,
elbgermanische Haarnadel
und die Beigabe von bronzenen Gefäßen, hier in Form einer Kanne mit
kleeblattförmigem Ausguss und einer durch den erhaltenen
Bronzegriff nachgewiesenen Griffschale, von Bedeutung. Sie gelten wie die zwei zur
Ausstattung gehörenden Glasgefäße gelber und türkiser Farbgebung - aufgrund starker Hitze nur noch als
geschmolzene Glasmasse überliefert - als ausgesprochenes Privileg und weisen die
Tote als ranghohes Mitglied der in Tönisvorst bestatteten
Gemeinschaft aus.
Rheinisches Landesmuseum Bonn
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Urne, Terra Nigra-Schüssel (belgische Ware) |
30/35-60 n. Chr. elbgermanisch |
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Drei Bronzefibeln |
30/35-60 n. Chr. elbgermanisch |
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Silberne Haarnadel |
30/35-60 n. Chr. elbgermanisch |
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Kanne, Ausguß kleeblattförmig |
30/35-60 n. Chr. elbgermanisch |
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Glasreste |
30/35-60 n. Chr. elbgermanisch |
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Grab 38
Romanisierende Germanen
Tönisvorst, Kreis Viersen
30/35-60 n. Chr.
Ein 40-60 Jahre alter Mann, der
zur Gründungsgeneration der in Tönisvorst bestatteten
Gemeinschaft gehörte, erhielt eine umfangreiche Grabausstattung, die
diverse Metallgegenstände
germanischer Formgebung barg.
Neben zwei Fibeln und einem Nadelrest verdienen die Bronzefragmente von
drei Gefäßen besondere Erwähnung. Trotz des desolaten Zustandes sind die
dem Scheiterhaufen ausgesetzten Geschirrteile als Kasserolle und
Kelle-Sieb-Paar ansprechbar. Aus dem persönlichen Besitz des Toten
stammen ferner eine eiserne Schere sowie ein Messer mit profiliertem
Griffende, dessen Form eher im
elbgermanischen Raum
Verbreitung fand. Insgesamt lassen die exquisiten Beigaben, insbesondere
die Metallgefäße, auf einen Angehörigen der sozialen Oberschicht
schließen.
Rheinisches Landesmuseum Bonn
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2 Fiebeln und Nadelrest |
30/35-60 n. Chr. elbgermanisch |
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Kasserolle |
30/35-60 n. Chr. elbgermanisch |
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Sieb |
30/35-60 n. Chr. elbgermanisch |
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Grab 73
Romanisierende Germanen
Tönisvorst, Kreis Viersen
60-75 n. Chr.
In einem fortgeschrittenen
Belegungsabschnitt des Gräberfeldes von Tönisvorst barg die Urne aus
Grab 73 neben dem Leichenbrand eines erwachsenen Individuums drei
als Gewandverschlüsse dienende Bronzefibel
germanischer Prägung
und eine eiserne Schere. Augenscheinlich war letztere
funktionsuntüchtig, da beide Schneiden in eine Richtung weisen. Eine
große Platte, die in Nachahmung
römischer Sigillatagefäße aus Terra Rubra-Ware
gefertigt wurde, diente als Abdeckung der Urne. Sie besitzt eine
dreifache Radialstempelung VD.VRV und dürfte
zwischen 30
und 50 n. Chr.
hergestellt worden sein, gelangte aber
erst um 70 n. Chr.
in den Boden.
Rheinisches Landesmuseum Bonn
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Bronzefibeln, germanischer Prägung |
60-75 n. Chr. |
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Große PLatte. Römisches Sigillatagefäß aus Terra-Rubra-Ware |
60-75 n. Chr. |
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Grab 111
Romanisierende Germanen
Tönisvorst, Kreis Viersen
65/70-90/95 n. Chr.
In der dritten Belegungsphase von
Tönisvorst wurde in Grab 111 ein 40-60 Jahre alter
Mann bestattet, für dessen Urne ein rauwandiges Gefäß Verwendung fand,
das auch in Siedlungen der Region häufig angetroffen wird. Die
reliefverzierte Schüssel aus Terra Sigillata weist hingegen auf
südgallische Herkunft und auf einen gewissen Wohlstand des Verstorbenen
hin. Betont wird ferner durch die zur Ausstattung gehörenden
Bronzefragmente eines Beckens (?) und ein vasenförmiges Bruchstück, das
als Endbeschlag eines hölzernen Trinkhornes gedeutet werden kann. Diese
im Rheinland äußerst seltene Grabbeigabe weist eher in den
Elbgermanischen Raum
und lässt in Verbindung mit dem restlichen Beigabenspektrum auf den
Angehörigen der sozialen Oberschicht schließen.
Rheinisches Landesmuseum Bonn
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Grab 102
Romanisierende Germanen
Tönisvorst, Kreis Viersen
90/95-120 n. Chr.
Zu Grab 102 aus Tönisvorst zählt neben einer bronzenen
Gewandspange, Glasschmelze und einzelnen Scherben ein Keramikensemble,
das in seiner Zusammensetzung bedeutsam ist. Außer einem rauwandigen
Topf und einer Schüssel belgischer Ware, die als Urne diente, lassen
sich über den glattwandigen Becher mit rötlichbrauner Engobe und einer
reliefverzierten Schüssel aus roter
Terra Sigillata
weitreichende Fernhandelsbeziehungen des niederrheinischen
Hinterlandes belegen. Die aus
Südgallischen
Werkstätten stammende Schüssel besitzt noch Reste eines zentralen
Stempels LIS. der den Töpfer als Vitalis ii von La
Graufensenque angibt. Auffälliges Dekor und spezielle Machart des
Bechers verweisen auf ein Herstellungszentrum in der
römischen Provinz Baetica
im Süden Spaniens.
Rheinisches Landesmuseum Bonn
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Urne, belgische Ware |
90/95-120 n. Chr. |
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Rauwandiger Topf |
90/95-120 n. Chr. |
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Relieffverzierte Schüssel aus roter Terra Sigillata |
90/95-120 n. Chr. |
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Bronzene Gewandspange |
90/95-120 n. Chr. |
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Grab 166
Romanisierende Germanen
Tönisvorst, Kreis Viersen
90/95-120 n. Chr.
Das Beigabenspektrum des nach einer
Leichenbrandanalyse auf 30 bis
40 Jahre alt geschätzten
Mannes aus Grab 166 bestand aus Gefäßfragmenten eines
glattwandigen Bechers, einer
Terra Sigillata-Schüssel südgallischer Herkunft
sowie einem Messer und einer Schere aus Eisen, die aus dem persönlichen
Besitz des Toten stammen. Das Messer besitzt eine Endöse und einen durch
zwei Eisenniete gehaltenen, zweilagigen Beingriff, dessen Verzierung mit
kleinen Rauten und doppelten Kreisaugen eine äußerst qualitätvolle
Bearbeitung bezeugt. Als Urne diente ein
Terra-Nigra-Gefäß (Belgische Ware).
Rheinisches Landesmuseum Bonn
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Terra Sigillata-Schüssel |
90/95-120 n. Chr. |
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Eisenmesser mit zweilagigen Beingriff |
90/95-120 n. Chr. |
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Schere aus Eisen |
90/95-120 n. Chr. |
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Terra Nigra-Gefäß (Belgische Ware) |
90/95-120 n. Chr. |
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