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LANDSCHAFTSVERBAND RHEINLAND
Rheinisches Amt für Bodendenkmalpflege
Archäologie im Rheinland
2006
Untersuchungen an der Geismühle
von Christoph
Reichmann
ie Geismühle dicht an der A 57 und neben der gleichnamigen
Raststätte gelegen, wird vielen Autofahrern bekannt sein. Sie zählt zu
den ältesten erhaltenen Turmwindmühlen des Niederrheins und
insbesondere zu den
ältesten Mühlen mit erhaltenem Mahlwerk. Die erste
urkundliche, Nachricht stammt aus
dem Jahre 1575. Damals
baten die Heerdter (heute Düsseldorf- Heerdt) den Kölner
Erzbischof wegen des weiten Weges zur Geismühle um Befreiung
vom dortigen Mahlzwang. Allerdings waren die Heerdter nicht die
ersten, die aus dem ursprünglich dass ganze am Linn umfassenden
Mühlenbann ausschieden, sodass die Mühle
1575
schon längere Zeit bestanden haben muss. Die ungewöhnliche Form und
Durchfensterung des Mühlenturms sowie die Reste zweier alter Kamine im
Inneren gaben schon früh Anlass zu der Vermutung, dass der Turm
ursprünglich nicht als Mühle, sondern als Wachturm, errichtet worden war
(Abb. 201). Notwendig gewordene Reparaturarbeiten, die auf
bürgerschaftliche Initiative hin zu einer gründlichen
Wiederinstandsetzung erweitert werden konnten, führten nun zu neuen
Erkenntnissen über die Mühle und ihre Vorgeschichte. Als man den
Mühlenhügel zur Trockenlegung des Einfahrtgewölbes aufgeschnitten hatte,
zeigte sich überraschenderweise, dass Hügel und Einführt nicht erst im
19. Jahrhundert
entstanden waren, wie es zunächst den Anschein hatte. Die ehrenamtlichen
Mühlensanierer stießen unerwartet auf Mauerreste einer ins
18. Jahrhundert
zurückreichenden, offenbar holzgedeckten Einfahrt (Abb. 202).
Außerdem zeigte sich am Turmmauerwerk dicht unterhalb der modernen
Erdanschüttung ein mit Werksteinen Trachyt abgedeckter Sockel (Abb.
203), der offensichtlich mit einem viel älteren, allerdings
niedrigeren und steiler geböschten Hügel korrespondierte. Dieser ältere
Hügel war im untersuchten Aufschluss jedoch nur auf einer kleinen Fläche
erhalten, da man offenbar den Anschlussbereich zur Turmwand während des
17. Jahrhunderts
kurzzeitig aufgegraben und wieder verfüllt hatte.
Die Datierung des Vorganges ergibt sich
aus einer abschließenden Bauinschrift am reparierten Sockel. Schadhafte
Teile des Trachytverbandes wurden damals gegen Blausteine ausgetauscht.
Vor allem vermauerte man auch einen das Band durchstoßenden
Brunnenschacht (s. u.). Die wenigen professionell eingeritzte Inschrift
lautet: M W F 1661 M.
Trotz ihrer groben Machart bezieht sie sich wahrscheinlich auf die
beteiligten Handwerker, denn der damalige Müller hieß Johann
Stocker.
Offenbar während der Bauarbeiten,
zumindest während der Aufgrabung des tieferen Turmmauerwerks. wurden
dicht an der Mauer Feuer abgebrannt, die größere Brandflecke belegen.
Aufgrund der anschließenden Erdabdeckung
blieben sie gut konserviert.
Für das
Jahr 1646
ist tatsächlich eine Belagerung der Mühle durch marodierende Soldaten
belegt. Nach Aussage des Müllers versuchte man dabei, ihn und seine
Leute durch Feuer auszuräuchern.
Dennoch ist ein Zusammenhang nicht sicher
zu beweisen, zumal sich in diesem Falle die Bauarbeiten über mehr als
zehn Jahre
erstreckt haben müssten. Insgesamt scheinen die
1661
abgeschlossenen Arbeiten, aber schon eine Folge der Beschädigung der
Mühle während des
Dreißigjährigen Krieges
gewesen zu sein, denn offenbar wurde auch ein neuer, oben für die
Bedienung des Krühwerkes und der Flügel abgeflachter Hügel angelegt (Abb.
201). Ein Erdhügel war natürlich gegen Witterungs- und
Kriegseinflüsse beständiger als der alte, höher gelegene, hölzerne
Arbeitsumgang. Allerdings erforderte eine Änderung der Arbeitshöhe auch
einen größeren Umbau des Mühlenantriebs, der sieh somit indirekt
ebenfalls für diese Zeit belegen lässt.
Korrespondierend zur ursprünglich bis zu
2 m hohen und rund 10 m vom Turmfundament nach außen
reichenden Hügelaufschüttung fand sich bei der Erneuerung der
Mühlenzufahrt der Ansatz eines dazu passenden Umfassungsgrabens (Abb.
201).
Wie anschließend durchgeführte Bohrungen
ergaben, verlief der Graben rings um den Turm und besaß eine Breite von
rund 11,50 m. Die Tiefe ließ sich noch nicht sicher ermitteln.
Alles in allem ergibt sich damit jedoch das Bild einer stattlichen
Wehranlage und nicht nur eines einfachen Wehrturms.
Die einzigen unmittelbar datierenden
Funde aus den Erdanlagen sind zwei Siegburger Faststeinzeugscherben, die
an der Oberkante des alten Humus unter der
Hügelanschüttung traten. Eine
Enge zeitliche Einordnung ist wegen der geringen Größe der Scherben
schwierig. Sie unterstützen jedoch die aus dem verwendeten
Ziegelmaterial und der Mauertechnik (relativ sauberer
gotischer
Verband) abgeleitete Datierung des Turms in die Zeit
um 1300 bzw. an den
Beginn des 14.
Jahrhunderts. Bei den
Erdarbeiten wurde auch ein gemauerter Brunnen angeschnitten (Abb. 201),
der offenbar zeitgleich mit ihm angelegt zur Hälfte im Außenmauerwerk
des Turms liegt. Die zweite Hälfte ragt als rechteckige Aufmauerung nach
außen über die Turmfront vor und reichte ursprünglich bis dicht unter
die Oberkante des den Schacht verdeckenden Hügels.
Zugänglich war der Brunnenschacht
vermutlich durch einen heute vermauerten Gang vom Turminneren aus,
jedoch gab es im Bedarfsfall auch eine Revisionsmöglichkeit von außen.
Interessant ist nun, dass der Brunnenschacht zu einem späteren Zeitpunkt
nach oben verlängert wurde. Dabei durchbrach man den Werksteinsockel und
stemmte eine halbrunde Schale aus der Turmmauer. Die Außenmauer der
Ergänzung wurde nicht mehr rechteckig, sondern rund angelegt. Da der
Schacht nun auf der Holzgalerie der Mühle endete, ist anzunehmen, dass
die Verlängerung zu einer Zeit vorgenommen wurde, als der Turm bereits
in eine Mühle umgewandelt war. Der von der Abmauerung
des Jahres 1661
aus gemessen 6,70 m tiefe Brunn wurde an der Sohle einmal - wohl
wegen Wassermangel - rund einen Meter weiter abgetieft und neu
unterfangen, dann ‚ aber in der zweiten Hälfte des
15. Jahrhunderts
doch endgültig, aufgegeben. Daraus ergibt sich, dass der Turm schon zu
dieser Zeit mindestens 100
Jahre vor der ersten
urkundlichen Erwähnung - als Mühle in Betrieb war. Neben einigen
Scherbematerial und anderem Abfall fanden sich im Brunnenschacht auch‚
zwei fragmentierte und zusammengerottete Schulterstücke eines gotischen
Plattenpanzers aus der‚ zweiten Hälfte des
15. Jahrhunderts.
Zwar lagen die Teile in der oberen, erst während des
17. Jahrhunderts
eingebrachten Füllung, doch waren sie nicht nur mit jüngerem Abfall,
sondern auch mit
spätmittelalterlichen Scherben
vergesellschaftet, sodass sie nicht unbedingt als Altstücke aufbewahrt
worden sein müssen, sondern auch bei den damaligen Reparaturarbeiten aus
der aufgegrabenen Hügelfüllung in den Schacht gelangt sein können.
Da der Turm später als erzbischöfliche
Bannmühle diente, liegt die Annahme nahe, dass die
um 1300
angelegte ursprüngliche Befestigung vom damaligen Besitzer Linns,
dem Grafen von Kleve, errichtet wurde.
Trotz der im Unterschied zu den meisten
bekannten Wachtürmen in Süd- oder Mitteldeutschland sehr massiven
Befestigung mit Hügel und Wehrgraben spricht derzeit nichts gegen eine
Funktion als Wachtposten an der dicht vorüberführenden Fernstraße, dem
sog. Hohlen Weg. Ein gewichtiges Argument für diese Funktion ist
schließlich auch die Lage‚ auf einer sanften Anhöhe und nicht im
Niederungsbereich, wie es bei befestigten Dynastenburgen am unteren
Niederrhein sonst üblich war.
Literatur:
G. Rotthoff:
Kriegsleiden des Geismüllers. Die
Heimat (Krefeld) 35, 1964, 41-42.
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H. Vogt:
Die Rheinischen
Windmühlen (Krefeld 2005) 363-365.
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