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LANDSCHAFTSVERBAND RHEINLAND
Rheinisches Amt für Bodendenkmalpflege
Archäologie im Rheinland
2005
Neue spätantike Gräber mit Kreisgräben in
Gellep
von Christoph
Reichmann
m
äußersten Westrand der ausgedehnten Gräberfelder von Krefeld- Gellep
wurde jetzt erneut eine Gruppe von Gräbern mit kreisförmigen Einhegungen
aufgedeckt (Abb. 1). Von den elf Brandgräbern aus der Zeit
um 300
zeigten
sechs
Einhegungen durch Gräbchen. Fünf von ihnen waren rund und nur eine
rechteckig. In diesem Randbereich des Gräberfeldes bilden die
eingehegten Gräber offenbar die älteste Belegung. Nicht nur die übrigen
fünf Brandgräber den auch sieben zusätzlich aufgedeckten Körpergräber
des fortgeschrittenen 4.
Jahrhunderts drängten sich
zwischen die Kreisgrabengräber, welche offenbar lange Zeit als Hügel
deutlich wahrnehmbar waren. Dabei hielten die Brandgräber so viel
Abstand, dass sie ebenfalls mit kleineren Hügeln versehen gewesen sein
könnten. Die jüngsten Körpergräber gehörten bereits in die zweite Hälfte
des 4.Jahrhunderts.
Sie enthielten u. a. Trachtbestandteile wie Armringe oder bei den
Männergräbern Gürtelschnallen, Zwiebelknopfflibeln und Geldbeutel. In
den Jahren 1988 - 1992
waren bereits unmittelbar östlich anschließend 14 eingehegte
Gräber aus der zweiten Hälfte des
3.Jahrhunderts ausgegraben
worden. Allerdings lagen diese in noch weiteren Abständen zwischen einer
Vielzahl von Gräbern ohne Einhegungen. Von diesen 14 Anlagen
waren 11 kreisförmig, zwei rechteckig und eine
„steigbügelförmig“, d.h. an einer Seite eckig und an der anderen
abgerundet. Auffällig war, dass die rechteckigen Gräbchen jeweils
weibliche Bestattungen umgaben. Während die neu aufgedeckten Anlagen
soweit erkennbar alle Öffnungen im NW aufweisen, waren unter den schon
früher gefundenen zwei, darunter auch ein Rechteckgraben, ohne Öffnung.
Anscheinend handelt es sich hier um eine einheimische Grabsitte.
Auffällig ist jedoch die vergleichsweise späte Zeitstellung der Gräber,
denn bei der Mehrzahl der bekannten ländlichen Gräberfelder in der
Umgebung laufen die Bestattungen schon um die Mitte des
3.Jahrhunderts
aus, so dass der in Gellep hauptsächlich beobachtete
Zeitabschnitt meist gar nicht mehr erreicht wird. Allerdings treten die
Einhegungen auch in Gellep nicht ganz unvermittelt und ohne Vorbilder
auf, denn etwas weiter östlich zieht sich ein alter Nordsüdweg durch das
Gräberfeld, und vor allem an seinem Ostrand lagen nicht allein
eisenzeitliche Gräber mit Grabeneinhegungen sondern auch solche der
älteren Römerzeit.
Im vergangenen Jahr musste auch hier eine kleinere Fläche untersucht
werden. Dies ergab 24 Brand- und vier Körpergräber. Dabei wurden allein
drei neue Kreisgrabenanlagen des
späten 1 Jahrhunderts
aufgedeckt. Die älteren Einhegungen am Wegrand, unter denen sich
ebenfalls nur wenige rechteckige finden, sind in einigen Fällen
geschlossen, meist jedoch mit Öffnungen an der Westseite ausgestattet,
so dass zumindest in Gellep eine Verschiebung der Öffnungen im Laufe der
Römerzeit von West nach Nordwest beobachtet werden kann. Die
vorrömischen
Anlagen zeigen dagegen - soweit erkennbar und soweit nicht geschlossen -
ausschließlich Öffnungen nach Südosten. Der einheimische Charakter der
neuen Kreisgrabengräber wird auch durch Grabsitte und Beigaben
unterstrichen. So handelt es sich ausnahmslos um Brandgräber, während in
anderen Teilen der Gelleper Gräberfelder während der zweiten Hälfte des
3.Jahrhunderts
schon häufiger unverbrannt bestattet wurde. Gut erhalten waren die
Ausstattungen von Grab 6364 (mit Rechteckgraben) und Grab 6371 (mit
Kreisgraben). Beide mit Gefäßen reich ausgestattet, fielen vor allem
durch ihre zahlreichen Trinkgefäße auf. Zu diesen gehörte in Grab
6371 eine Fußschale aus
terra nigra. Die
Herstellungsräume dieses Schalentyps sind zwar in der Literatur
umstritten, doch belegen neuere Funde recht gut, dass
Fußschalen
aus terra nigra
nicht nur innerhalb der römischen Provinz sondern auch im
rechtsrheinischen, insbesondere
fränkischen Gebiet
hergestellt wurden. Meist unterscheiden sich die jeweiligen Formen auch
in kleineren Details. Ihre Beliebtheit bei den Franken verdankt die
Schale wohl ihrer Ähnlichkeit zur einheimischen, von Hand aufgebauten
Fußschale. Die Gelleper Schale wurde jedoch nicht importiert, sondern
gehört anscheinend zu den seit dem
späteren 3. Jahrhundert
in Gellep selbst produzierten Schalen, weiterhin kennzeichnend für den
einheimisch germanischen
Grabbrauch ist die Beigabe von Toilettegerät, im vorliegenden Falle
einer kleinen eisernen Schere. Das zweite Grab enthielt zwar keine so
spezifischen Gegenstände, jedoch fand sich darin der erste große
Bronzeeimer vom Hemmoorer Typ in Gellep (Abb. 2). Bislang waren von hier
lediglich drei Miniatureimer bekannt. Zwar stammt der Eimer
zweifellos aus römischer Produktion, doch sind Eimer dieser Form in
römischen
Gräbern kaum verbreitet, wohingegen man sie aus Gräbern des
rechtsrheinischen germanischen
Gebietes durchaus häufiger kennt. Die Sitte, die Gräber durch Gräben
einzuhegen und darüber Hügel aufzuschütten, reicht am Niederrhein weit
in vorgeschichtliche Zeit zurück, auch wenn sie in der späten Eisenzeit
weniger deutlich in Erscheinung tritt als in der Zeit davor. Üblich
waren damals vor allem Kreisgräben und häufiger auch beetförmige
Langgräben. Rechteckige oder fast quadratische Anlagen wurden dagegen
erst während der frühen
Laténezeit aus
Nordwestfrankreich übernommen und sind daher eher für die
jüngere Eisenzeit
kennzeichnend. Entsprechend massiert setzen sie sich in
frührömischer Zeit
fort. Im nahen Gräberfeld von Tönisvorst fanden sich sogar
ausschließlich rechteckige Einhegungen. Allerdings gilt es hier zu
berücksichtigen, dass die Bestattungsgemeinschaft offenbar weniger im
engeren Sinne einheimische als vielmehr elbgermanische Wurzeln hatte. In
Hatert bei Nijmegen und damit im batavischen Gebiet liegt der Anteil der
Kreisgräben nur bei etwas mehr als einem Drittel (34:78). Ein
Überwiegen rechteckiger Anlagen scheint - Gellep ausgenommen -
zumindest während der älteren Römerzeit die Regel gewesen zu sein, zumal
rechteckige „Grabgärten“ auch weiter südlich im Hunsrück und am
Mittelrhein unter der einheimischen Bevölkerung weit verbreitet waren.
Im rechtsrheinischen Germanien sind Grabeinhegungen dagegen während der
Römerzeit
weitgehend unüblich, allerdings bemerkt man hier in einigen Gebieten ein
Wiederaufleben während der Spätantike und dies hauptsächlich mit runden
Anlagen. Auffällig ist, dass auch hier jetzt häufiger die Öffnungen nach
Norden, Süden oder Westen, weniger dagegen nach
Südosten gerichtet sind. Dass die Richtung beliebig war oder die
Öffnungen gar als reale Grabzugänge gedient haben könnten und auf
benachbarte Wege ausgingen, wie gelegentlich angenommen wird, erscheint
jedenfalls wenig glaubhaft. Offenbar waren die Gräbchen im Unterschied
zu den darüber aufgeschütteten Hügeln für die Lebenden schon nach
relativ kurzer Zeit kaum mehr sichtbar. Dass der Ausrichtung von Gräbern
dagegen sehr wohl symbolische Bedeutung zukommen konnte, zeigt
eindrucksvoll der gleichzeitig im Rheinland einsetzende
christliche Grabbrauch. Die nunmehr unverbrannten Toten wurden mit Blick
nach Osten beigesetzt. Man begründete dies allerdings nicht mit der
Richtung des Sonnenaufganges, sondern mit der Zielrichtung Jerusalem,
über dem Christus dereinst beim Jüngsten Gericht erscheinen würde.
Literatur:
C. BRIDGER:
Das römerzeitliche Gräberfeld "Am
Hinkes Weißhof" Tönisvorst-Vorst, Kr. Viersen, Rhein. Ausgr.
40 (Köln/Bonn 1996)
-
J. K. HAALEBOS:
Het grafveld van
Nijmegen- Hatert (Nijmegen 1990).
-
R. PIRLING
: Spätantike
Kreisgräben in Krefeld- Gellep. Arch. Rheinland 1989
(Köln/Bonn 1990) 115—1 17.#
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