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Römische Zeit
Die römischen Gräberfelder in Gellep
von Renate Pirling
ie ein großer Halbbogen legen sich die antiken Gräberfelder auf der dem Rhein abgewandten Seite um das Gelände von
Kastell und
Vicus Gelduba, dabei einen gewissen Abstand zu diesem einhaltend. Bis heute konnten rund 6200 Gräber aufgedeckt werden. (Abb. 1)
Es handelt sich um die größten modern und zusammenhängend untersuchten Gräberfelder der Alten Welt, und es kann angenommen werden, dass sie dies auch in Zukunft bleiben. Ähnlich günstige Voraussetzungen dürften wohl kaum irgendwo noch anzutreffen sein. Die Belegung begann im 1. Jahrhundert n. Chr., und sie wurde ohne jede erkennbare Unterbrechung bis in den Beginn des 8. Jahrhunderts fortgesetzt. Auch dies ist ein ganz einmaliger Fall. Die besondere Bedeutung der Gräberfelder Gelleps für die archäologische und historische Forschung beruht nicht nur auf der ungewöhnlich großen Zahl der Bestattungen, sondern vor allem auch auf ihrer kontinuierlichen Belegung.

as Gräber in so großer Zahl entdeckt werden konnten, liegt daran, dass in
Gellep nicht, wie an fast allen anderen Römerorten, aus dem Kastell oder der zugehörigen Zivilsiedlung eine Stadt erwachsen ist, wobei dann die mittelalterliche und neuzeitliche Bebauung die antiken Gräberfelder überdeckt hätte. Gellep hatte schon im frühen Mittelalter seine Bedeutung eingebüßt und überdauerte die Zeit bis in die Gegenwart als ein unbedeutendes Bauerndörfchen. Die Gräberfelder liegen (oder lagen bis vor kurzem) auf freiem Feld und konnten nahezu ungehindert ausgegraben werden. Dies aber leider nicht nur von berufenen Fachleuten, sondern auch von Grundstücksbesitzern,
Bauern und ausgesprochenen Raubgräbern. Solche wurden in Gellep schon sehr früh tätig und sind dies vereinzelt bis heute. Bei unseren planmäßigen Grabungen stoßen wir immer wieder auf Spuren früherer, unsachgemäß durchgeführter Grabungen.
 Besonders der Spargelbau, bei dem der Boden sehr tiefgründig umgesetzt wird, hat große Zerstörungen angerichtet. Das Gelleper Bauern immer wieder auf ihren Feldern und in ihren Gärten gezielt nach antiken Gräbern suchten, ist verständlich, wenn auch höchst bedauerlich. Man kann es nur als einen großen Glücksfall bezeichnen, dass Albert Steeger 1934 mit systematischen Ausgrabungen begann. Mit Ausnahme der Kriegs- und der ersten Nachkriegsjahre wurden diese bis heute alljährlich weitergeführt und noch ist das Ende der Belegung nicht erreicht. Eine vollständige Aufdeckung wird nicht möglich sein. Von
den schon erwähnten Raubgrabungen abgesehen, wurden durch den Bau einzelner Häuser, bei der Anlage des großen, südlich von
Gellep gelegenen Baggersees und mehrerer kleinerer Sandgruben mit Sicherheit viele antike Gräber zerstört. In mehreren privaten Gärten sind im Untergrund Gräber zu vermuten, die uns unzugänglich sind und dies auf absehbare Zeit auch bleiben werden.
 Nahezu drei Viertel der bisher geborgenen Gräber stammen aus römischer Zeit. Die
Römer bestatteten ihre Toten zwar außerhalb der Siedlungen, doch stets in unmittel barer Nähe der Stätten der Lebenden. Mit Vorliebe legte man die Gräber entlang der Straßen an, denn sie sollten von jedermann gesehen werden. Man wollte keine Friedhöfe in Stille und Abgeschiedenheit, Leben und Tod wurden in viel stärkerem Maße als eine Einheit betrachtet als bei uns heute. Wer sich einer römischen Ansiedlung näherte, kam an Gräbern vorbei, bei größeren Städten oft meilenweit. Hinter der Sitte die Gräber so exponiert anzulegen, steckt der Wunsch, als Toter im Gedächtnis der Lebenden einen Platz einzunehmen, um auf
diese Weise weiterzuleben. Die Friedhöfe gehörten, auch im rechtlichen Sinne den Totengeistern und waren unantastbar.
 Für uns sind dank der heidnischen Sitte der Grabbeigaben die antiken Gräberfelder wahre Fundgruben, sie lassen ein getreues Spiegelbild der alltäglichen Umgebung der Lebenden erstehen. Da es in Gellep eine lückenlose Folge vom Beginn des 1. bis zur endgültigen Aufgabe der Beigabensitte am Beginn des 8. Jahrhunderts gibt, kann für bestimmte Fundgruppen, etwa Keramik und Gläser, die Entwicklung ebenso lückenlos verfolgt werden. Darüber hinaus geben die Grabfunde Hinweise auf soziale und ethnische Gliederung, auf Brauchtum und Sitte,
Religion und Aberglauben, die anders nicht zu gewinnen wären. Die Schriftquellen der Zeit, soweit sie das Rheinland betreffen, berichten über politische und kriegerische Ereignisse und berühren die alltägliche Sphäre kaum.
 Nicht zuletzt liefern die Gelleper Gräberfelder eine solche Fülle gut beobachteter geschlossener Grabfunde, viele davon durch Münzen genau datiert, wie es sie von keinem anderen Fundort gibt. Wenn sie alle ausgegraben, publiziert und ausgewertet sind, wird ein chronologisches Gerüst für den entsprechenden Zeitabschnitt erstellt werden können, das in Zukunft als Basis für die zeitliche Einordnung vieler Fundkomplexe benutzt werden wird. Nicht zuletzt darauf beruht die besondere Bedeutung der Gelleper Gräberfelder für
provinzialrömische wie für frühmittelalterliche Archäologie. Es ist deshalb das Ziel, sie soweit wie irgend möglich zu erforschen und den gesamten. Fundstoff zu veröffentlichen.
 Nahezu drei Viertel der bisher geborgenen Gräber stammen aus römischer Zeit. Die Römer bestatteten ihre Toten zwar außerhalb der Siedlungen, doch stets in unmittelbarer Nähe der Stätten der Lebenden. Mit Vorliebe legte man die Gräber entlang der Straßen an, denn sie sollten von jedermann gesehen werden. Man wollte keine Friedhöfe in Stille und Abgeschiedenheit, Leben und Tod wurden in viel stärkerem Maße als Einheit betrachtet als bei uns heute. Wer sich einer römischen Ansiedlung näherte, kam an Gräbern vorbei, bei größeren Städten oft meilenweit. Hinter der Sitte, die Gräber so exponiert anzulegen, steckt der Wunsch, als Toter im Gedächtnis der Lebenden einen Platz
einzunehmen, um auf diese Weise weiterzuleben. Die Friedhöfe gehörten, auch im rechtlichen Sinne, den Totengeistern und waren unantastbar.
Nach antiker Vorstellung gingen die Verstorbenen in das Reich gestaltloser Totengötter, Di Manes, ein. Sie lebten im Grab weiter, aber nicht leiblich, sondern als
Anima le) (Seele), in einem freudlosen Dasein, aus dem sie für kurze Zeit erlöst werden konnten, im man ihrer gedachte oder bestimmte Riten am Grab vollzog. Hierzu gehörten Totenmahle, die man am Grabe abhielt und an denen man den Toten teilnehmen ließ. Auch die Sitte der Grabbeigaben ist in diesem Zusammenhang zu sehen.
Die Römer statteten ihre Toten hauptsächlich mit Speise und Trank aus. Damit sollte die Seele im Totenreich gestärkt werden. Auch die Ruhe im Grab hing zu einem guten Teil von dem allgemeinen Brauch entsprechenden Ausstattung ab. Bei dieser spielte sicher auch Furcht der Hinterbliebenen eine Rolle, der Geist des Toten könne das Grab verlassen und sich an der kleinlichen Verwandtschaft rächen, falls die Ausstattung zu bescheiden ausgefallen wäre.

Für uns sind dank der heidnischen Sitte der Grabbeigaben die antiken Gräberfelder wahre Fundgruben, sie lassen ein getreues Spiegelbild der alltäglichen Umgebung der Lebenden erstehen. Da es in Gellep eine lückenlose Folge von Gräbern vom Beginn des 1. bis zur endgültigen Aufgabe der Beigabensitte am Beginn des 8. Jahrhunderts gibt, kann für bestimmte Fundgruppen, etwa Keramik und Gläser, die Entwicklung ebenso lückenlos verfolgt werden. Darüber hinaus geben die Grabfunde Hinweise auf soziale und ethnische Gliederung, Brauchtum und Sitte, Religion und Aberglauben, die anders nicht zu gewinnen wären. Die Schriftquellen der Zeit, soweit sie das Rheinland
betreffen, berichten über politische und kriegerische Ereignisse und berühren die alltägliche Sphäre kaum.

Nicht zuletzt liefern die Gelleper Gräberfelder eine solche Fülle gut beobachteter geschlossener Grabfunde, viele davon durch Münzen genau datiert, wie es sie von keinem anderen Fundort gibt. Wenn sie alle ausgegraben, publiziert und ausgewertet sind, wird ein chronologisches Gerüst für den entsprechenden Zeitabschnitt erstellt werden können, das in Zukunft als Basis für die zeitliche Einordnung vieler Fundkomplexe benutzt werden wird. Nicht zuletzt darauf beruht die besondere Bedeutung der Gelleper Gräberfelder für die provinzialrömische wie für die frühmittelalterliche Archäologie. Es ist deshalb das Ziel, sie soweit wie irgend möglich zu erforschen und den gesamten Fundstoff zu veröffentlichen.

Die Gräberfelder aus frührömischer Zeit
ie ältesten Gräber wurden in Gellep erwartungsgemäß im Norden gefunden, in der nähe der dorfähnlichen Ansiedlung, die in den zwanziger Jahren des 1. Jahrhunderts n. Chr.. begründet wurde und in den Kämpfen während des Bataveraufstandes 69 zu Grunde ging. Die Bestattungen setzten sich von hier aus nach Süden fort. Überraschenderweise wurde bei Grabungen 1985 bis 1985 bis 1996 in rund 350 m Entfernung ein zweiter, ausgedehnter Bestattungsplatz des 1. Jahrhunderts entdeckt. Beide Friedhöfe müssen gleichzeitig belegt
worden sein. Vermutlich erstreckten sich beide entlang von Ausfallstraßen, deren Verlauf wir aber noch nicht kennen.
 Der Sitte der Zeit entsprechend handelt es sich durchweg um Brandgräber. Die Toten müssen auf einem eigens dafür bestimmten Verbrennungsplatz, der ustrina, eingeäschert worden sein, dessen Lage noch unbekannt ist. Mehrere römische Schriftquellen schildern den Verlauf eines Leichenbegräbnisses. Nach dem Tod wurde der Verstorbene gewaschen, gesalbt und festlich bekleidet im Haus aufgebart. Angehörige und Freunde nahmen von ihm Abschied, dann formierte sich der Leichenzug. Am Begräbnisplatz angekommen, wurde der Tote mit seiner Bahre auf den bereitstehenden Scheiterhaufen gelegt. Ein naher Verwandter entzündete den Holzstoß. War der Scheiterhaufen niedergebrannt, löschte man die Glut mit Wasser oder Wein, danach bargen Angehörige die Leichenreste aus der Asche. Erst einige
Tage später erfolgte dann die eigentliche Beisetzung. Im 1. Jahrhundert wurde diese in Gellep meist in einer Urne vorgenommen. Als solche diente gewöhnlich ein Tongefäß, oft ein einfacher Topf, es werden aber auch eigens für diesen Zweck gefertigte, reich verzierte Gefäße als Urne verwendet. (Abb. 15) in deren Innerem fanden sich neben dem Leichenbrand oft noch Reste der Bahre, vor allem Eisennägel, außerdem Teile von Kleidung oder Schmuck des Toten, denen das Feuer nichts anhaben konnte, zum Beispiel Gewandschließen (Fibeln) aus Metall oder Glasperlen. Daneben aber auch kleinere Gefäße aus Ton oder Glas, die so gut erhalten waren, dass sie nicht mit auf dem Scheiterhaufen gewesen sein konnten. Man hatte sie nachträglich, bei der Bestattung, in
oder neben die Urne gestellt. Von der Mitte des 1. Jahrhunderts an tritt am Niederrhein gelegentlich eine besondere Art der Totenverbrennung auf, die Einäscherung auf einem unmittelbar über der Grabgrube, wahrscheinlich auf einem Eisenrost, errichteten Scheiterhaufen. Die lateinische Bezeichnung "bustum" ist hierfür überliefert. Solche busta wurden in Gellep in größerer Zahl angetroffen, sie sind bei der Ausgrabung leicht an den rot verziegelten Grubenrändern zu erkennen. Diese sind darauf zurückzuführen, dass unterhalb des Scheiterhaufens eine Strahlenhitze von ca. 900 Grad Celsius entstand. 1985 konnte in Gellep ein Grab (Nr. 4959) aufgedeckt werden, das sowohl seiner Anlage als seiner Ausstattung nach ungewöhnlich war. Es handelte sich um ein Frauengrab, das sich auf Grund einer beigegebenen Münze des
Domitian
(81 - 96 n. Chr.) an das Ende des 1. oder den Beginn des 2. Jahrhunderts datieren ist. Die Grabgrube war mit 2,10 m x 3,20 m ungewöhnlich groß. Es war ein bustum, d.h. die Einäscherung der Toten muss an Ort und Stelle erfolgt sein, aber nicht über der Grube, vielmehr war deutlich zu erkennen, das ein Holzrost unmittelbar auf dem Grabboden auflag. Die Zahlreichen Beigaben waren nicht mit im Feuer, sondern wurden nachtäglich auf einer Seite des Grabes beigestellt. Sie bestanden aus 15 Tongefäßen, zwei Gläsern, einer bronzenen Pfanne mit Stiel, einem rechteckigen Metallspiegel, einer Öllampe aus Ton, einer silbernen Haarnadel und einem silbernen Fibelpaar mit Emaileinlagen. Eigenartigerweise wurde in geringer Entfernung ein zweites bustum angetroffen, das in den Ausmaßen und der Anlage
genau dem eben beschriebenen glich, das aber, obgleich ungestört, keinerlei Beigaben enthielt. Bis heute ist die Herkunft der Bestattungsform der busta ungeklärt, sowohl italischer als gallischer oder germanischer Ursprung wurden vermutet.
Außer dem geschilderten Grab Nr. 4959, das vielleicht schon aus dem Beginn des 2. Jahrhunderts stammt, wurden noch kaum Gräber mit reicher Ausstattung und qualitätvollen Beigaben aus dem 1. Jahrhundert entdeckt. Schon bald nach 70 n. Chr. lag in Gellep eine in Spanien ausgehobene Reitereinheit, die ala
Sulpicia, die sich ein luxuriöses Badegebäude in Steinbauweise errichtete, also sicher einen gehobenen Lebensstil pflegte. Die Gräber ihrer Angehörigen müssen noch unentdeckt im Boden liegen, oder sie fielen früheren Raubgrabungen zum Opfer.
Vom 2. Jahrhundert ab ist in Gellep das so genannte Brandschüttungsgrab vorherrschend. Die sterblichen Überreste des Toten wurden, nach der Verbrennung auf der ustrina, direkt in der Grube beigesetzt. Dabei gelangten mit Resten des Scheiterhaufenrückstandes, Holzkohle und Eisennägel, die von der Bahre herrührten, oft größere Mengen von Tonscherben in das Grab. Es handelt sich hier um Gefäße, die mit im Feuer waren, durch die Hitze zersprungen sind und danach dann ausgelesen wurden. Da dies nicht immer sehr sorgfältig geschah, lassen sie sich oft nicht zu Gefäßen rekonstruieren. Deutlich davon zu unterscheiden sind die
eigentlichen Beigaben, zum großen Teil ebenfalls Gefäße, meist aus Ton, oder, seltener, Glas, die man gefüllt mit Speise und Trank den Toten mit auf den Weg ins Jenseits gab. Dank des leichten Gelleper Sandbodens sind diese Gefäße meist ausgezeichnet erhalten, selbst Gläser werden oft gänzlich unversehrt angetroffen.
Wenn sie auch an Zahl gegenüber den Tongefäßen stark zurücktreten, wurden in Gelleper Gräbern doch ungewöhnlich viele Gläser angetroffen. Dies liegt sicher an der Nähe zu Köln, dass in
römischer Zeit einer der wichtigsten Standorte der Glasindustrie inner halb des Imperiums war.
Die Anfänge der Glasherstellung liegen in den beiden großen Kulturlandschaften des Altertums, Ägypten und Mesopotamien, wo schon um die Mitte des 3. Jahrtausends v. Chr. kleine Gegenstände wie Perlen und Anhänger aus Glas auftauchen. In Gräbern ägyptischer Könige der 18. Dynastie (1500-1350 v. Chr.) fanden sich bereits gläserne Gefäße, die aber noch um einen Sandkern geformt waren. Die Erfindung des Glasblasens muss an der östlichen Mittelmeerküste, im heutigen Syrien oder Libanon, im 1. Jahrhundert v. Chr.
erfolgt sein, Jetzt war es mit einem Schlag möglich, Gläser in größerer Menge herzustellen. Die neue Technik breitete sich schnell über das ganze römische Imperium aus, schon in der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts n. Chr. sind in Köln Glasmanufakturen nachweisbar und während der ganzen Zeit der römischen Herrschaft blieb die Stadt ein Zentrum der Glasherstellung, zeitweise war sie das bedeutendste.
Oft finden sich als Grabbeigaben eine oder mehrere Münzen. Diese dienten als Obolus, den der Verstorbene dem Charon, dem Fährmann über den unterirdischen Fluss Styx, zu entrichten hatte. Nach antiker Vorstellung, die noch auf griechische Zeit zurückgeht, hatte jeder Tote auf dem Weg in die Unterwelt diesen Fluss zu überqueren. Dieser Obolus bestand gewöhnlich aus einer oder mehreren Kupfermünzen, selten solchen aus Silber oder gar Gold. Dies hing natürlich vom sozialen Stand des Bestatte ten ab, genau wie die Anzahl und Qualität der übrigen Beigaben. Aber nicht nur als Indiz für die soziale Stellung sind
Münzen in Gräbern wichtig, sie liefern vor allem den besten Anhaltspunkt für eine Datierung. Römische Münzen tragen, jedenfalls während der Kaiserzeit, stets das Bild des gerade regierenden Herrschers oder von dessen Frau. Deren Regierungszeit ist bekannt, oft kann sogar das Prägejahr einer Münze angegeben werden. Wir haben also in jedem Fall ein genaues Datum, nach dem das Grab angelegt worden sein muss, einen „terminus Post quem“. Ist die Münze stempelfrisch, d.h. wenig oder gar nicht abgenützt, so darf angenommen werden, dass sie nicht lange nach der Prägung in den Boden gelangte. In diesem Falle eignet sich die Münze für eine einigermaßen präzise Datierung. Es gibt freilich auch Fälle, wo dem Toten als Obolus ein längst veraltetes Stück mitgegeben
wurde.
Aus den beiden
ersten Dritteln des 2. Jahrhunderts sind bis jetzt nur durchschnittlich oder sogar ärmlich ausgestattete Gräber zum Vorschein gekommen. Eine Ausnahme macht eine 1972 entdeckte Urne aus Tuffstein
Abb. 23. Sie befand sich in geringer Tiefe im Mittelpunkt einer hufeisenförmigen Anlage von 3,60 m Durchmesser, die aus grobem Ziegelschutt, Basalt- und Tuffbrocken bestand und in einer Höhe von etwa 30 cm noch erhalten war. Die sorgfältig behauene Urne ist ungefähr würfelförmig, die
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Beschreibung der Funde
Raum 1
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Abb. 1-7
Legende
Gräber Grabungsfläche
Gräber römische Gräber
Gräber fränkische Gräber des 5. Jahrh.
Gräber fränkische Gräber des 6./7 Jahrh.
Gräber beigabenlose Gräber
Gräber Pferdegräber
Gräber Fürstengrab
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Vitrine 23 /
Abb. 9
Keramik aus Gräbern
Beigaben aus Grab 5555 von Gellep
as Grab wurde im Juni 1989 entdeckt. Es handelt sich um ein Brandgrab des späten 3. Jahrhunderts, das von einem Kreisgraben von 6 m Durchmesser umgeben war. Drei Gläser, zwei Gefäße aus Terra sigillata und drei Henkelkrügchen aus Ton gehören zur Ausstattung. Das wichtigste Stück ist der 30 cm hohe, vermutlich in Trier gefertigte schwarze Firnisbecher. Er trägt die Inschrift:
OLAM·FORTVNAE SVPESTINIVS FILICA CLEMENTIO·ADVENTO·PREFECTO· LEG·XXX·CVM FAMILIA SVA VTATVR FELICITER
Sie kann verschieden gedeutet werden. Entweder:
Das der Fortuna geweihte Gefäß (hat) Supestinius Felica dem Clementinius Adventus, Präfekt der 30. Legion, (geschenkt). Der möge es mit seiner Familie glücklich benutzen.
Die 30. Legion war in Xanten stationiert. Wie das Gefäß in ein Grab in Gellep gelangte, ist nicht zu erklären.

Raum 1
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Schaumodell /
Abb. 1-7
Die Gräberfelder von Krefeld-Gellep
1. Jahrh. n. /erste Hälfte 5. Jh. n. Chr.
n einem großen, nach Nordosten hin offenen Halbkreis erstrecken sich Gräberfelder um das Kastell Gelduba und das Lagerdorf. Die systematische Ausgrabung begann schon 1934, sie ist noch immer nicht abgeschlossen, die Grabungen werden alljährlich weitergeführt. Die bis heute aufgedeckten Flächen sind auf dem nebenstehenden Plan links rot eingetragen.
Die Belegung der Gräberfelder begann im 1. Jahrhundert. Nach dem Abzug der römischen Truppen vom Rhein in der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts wurden sie ohne Unterbrechung von den Franken weiterbenutzt. Bis heute
konnten rund 5.000 Gräber aufgedeckt werden. Die meisten waren mit Beigaben ausgestattet. Nahezu alle auf dieser Etage ausgestellten Fundgegenstände stammen aus Gräbern von Gellep.
Es handelt sich fast ausschließlich um einfache Erdgräber, die 0,65 - 3,80 m in den Boden eingetieft waren. Nur ein einziger Steinsarkophag wurde entdeckt. Bis zur Mitte des 3. Jahrhunderts wurden die Toten meist verbrannt, die Asche teils in Urnen, teils in Erdgräbern beigesetzt. Von dieser Zeit an bestattete man die Toten unverbrannt, meist in hölzernen Särgen (Beispiele für alle Bestattungen gegenüber am Schaumodell A, Ausschnitt Grabungen im Gräberfeld)

Raum 1
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Schaumodell /
Abb. 22
Rekonstruktion römischer Gräber
Planzeichnung eines römischen Grabes des 4. Jhdts. (Nr. 3512) in Gellep, wie sie im Gelände während der Ausgrabung angefertigt wird (im Maßstab 1:20)
s handelt sich hier um ein Frauengrab mit reicher Ausstattung (zahlreiche Tongefäße, Glasflächchen, Haarnadeln, Reste eines hölzernen Kästchens mit Eisenbeschlägen). Vom Skelett waren noch schwache Reste erhalten, die Grabkammer wurde mit Holzbohlen verkleidet, darin stand der hölzerne Sarg, Spuren der Holzbohlen waren noch erkennbar, dabei zahlreiche Eisennägel.

Abb. 10
Weinbecher
Tonbecher mit eingeritzter Inschrift (Weingedicht) aus einem Grab in Krefeld-Gellep
ie Inschrift lautet:
Suge de mea, si vis, vita rem nemo vita bibit talem de preceor tene me verum, si tangat XXXXV merum. Praesta, si me amas, non despice quod dat seriola altum meum. Home sum, ne da comas portum.
Das Gefäß spricht zum Trinker:
Trinke aus mir, wenn du willst, mein Leben (= mein Liebchen), denn niemand trank in seinem Leben etwas so gutes. Ich beschwöre dich, halte mich für ehrlich wenn dieser ungemischte Wein 45 Denar kostet. Trinke also, wenn du mich magst, verachte nicht, was dir meine Tiefe (=mein Bauch) aus dem Kruge gibt.

Zusatz aus 2. Hand:
Ich bin ein Mensch, gib mir nicht Haare zu trinken.
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Schaumodell /
Abb. 24
Quaderblock eines Grabmales mit Inschrift
spätes 1. /frühes 2. Jh. n. Chr.
bersetzung des Steins:
VALERIAE
SAMPTI·FIL (IAE) ITAIAE ·M (ARCVS) · VAL (ERIVS) SATVRNINVS FIL (IVS) · F (ACIENDVM) · C (VRAVIT)
Der Valeria Itaia, der Tochter des Samptus, Marcus Valerius Saturninus, ihr Sohn, sorgte für die Errichtung (dieses Grabmales)
Diese Inschrift nennt nicht nur die Namen von Bewohnern des antiken Gelduba, sondern gibt uns auch Hinweise über deren Herkunft, die rechtliche Stellung und damit die fortschreitende Übernahme römischer Rechtsvorschriften. Während die Verstorbene sich mit ihren zwei Namensteilen
Valeria itaia bereits an römischen Gebräuchen orientiert und sich als Trägerin des römischen Bürgerrechts zu erkennen gibt, weist ihr Beiname Itaia noch auf eine einheimische Herkunft hin. Ihr Vater Samptus besaß dieses Privileg noch nicht und ist lediglich durch seinen einheimischen Namen gekennzeichnet. Der Sohn bzw. Enkel dagegen führt die vollständige tria nomina (das dreiteilige Namensformular) eines römischen Bürgers: Marcus (Vorname)
Valerius (Familienname) Saturninus (Beiname)

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Schaumodell /
Abb.
Rekonstruktion römischer Gräber
Beschreibung der Gräber im Schaumodell 25
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Brandgrab (Nr.: 3445).
1. Jahrh. Urne aus Ton, darin Leichenbrand (Abb. 32)
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Brandgrab (Nr.: 4413).
2. Jahrh. Urne aus Tuffstein, mit Ziegel abgedeckt
(Abb. 31)
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Brandgrab (Nr.: 3639).
2. Jahrh. Urne mit Deckel, aus Tuffstein, im Innern ein Schieferplättchen sorgfälltig eingepasst, darauf 3 Öllämpchen aus Ton.
(Abb. 23)
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Brandgrab (Nr.: 3941),
Ende 2. Jahrh. Der Leichenbrand wurde in der Grube auf ein Häufchen geschüttet, daneben die Beigaben, die nicht mit auf dem Scheiterhaufen waren.
(Abb. 30)
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Körpergrab mit Nische (Nr.: 2241), 4. Jahrh. Der Tote wurde unverbrannt in einem hölzernen Sarg beigesetzt. Das Skelett ist vergangen. Die Beigaben standen zum größten Teil in einer Nische, die man aus dem Sandboden ausgehöhlt hatte.
(Abb. 28)
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Ziegelgrab (Nr.: 3082),
4. Jahrh. Aus römischen Dachziegeln (tegulae) gebildeter Sarg. Oben mit Holzbrettern abgedeckt, die vergangen sind.
(Abb. 33)
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Sarkophag aus Tuffstein (Nr.: 2843), 4. Jahrh. Unterteil und Eckplatte waren jeweils aus einem Stück gearbeitet, nachträglich in mehrere Teile zerbrochen. Durch Antike Beraubung gestört, enthielt keine Beigaben mehr.
(Abb. 19)
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Körpergrab (Nr.: 3223), 4. Jahrh. Der Tote war in einem hölzernen Sarg beigesetzt, von dem sich Spuren und die eisernen Nägel erhalten haben. Beim Kopf stand ein Glasbecher, auf der Schulter trug der Tote eine Fibel, am Gürtel (der vergangen ist) eine bronzene Schnalle, im Mund eine Münze als Obulus. Zahlreiche Tongefäße, gefüllt mit Speise und Trank standen außerhalb des Sarges
(Abb. 25)

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